Der Pennine Way: Großbritanniens wildes Rückgrat
Der Pennine Way ist einer der populärsten Fernwanderwege Großbritanniens. Auf insgesamt 429 Kilometern führt er von Edale in Derbyshire) durch die Yorkshire Dales, ein Stück entlang der Hadrianswall durch den Northumberland National Park und endet kurz hinter der Grenze zu Schottland in Kirk Yetholm.
Dabei ist er nicht nur der älteste Fernwanderweg, sondern durchaus auch der herausforderndste. Während andere Wege, wie der beliebte Coast to Coast Walk, mit charmanten Ortschaften und abwechslungsreichen Landschaften lockt, verlangt der Pennine Way Ausdauer, Trittsicherheit und eine gewisse Liebe zur Wildnis. Schroffe Moore, endlose Heidelandschaften, uralte Steinmauern und abgelegene Dörfer prägen diesen Weg, der dadurch nicht nur landschaftlich spektakulär ist, sondern auch körperlich fordernd.

Der gesamte Weg startet in Edale (östlich von Manchester) und führt in ca. 20 Etappen nach Norden bis nach Kirk Yetholm hinter der schottischen Grenze. Dabei haben es die einzelnen Etappen in sich: Meist sind es über 20 Kilometer (manchmal auch über 30) die zu gehen sind und dabei sind oft auch 600-800 Höhenmeter zu bewältigen. Daher bietet es sich an, den Pennine Way in mehreren Anläufen in Angriff zu nehmen. Bei Macs Adventure finden sich z.B. Reiseangebote für Individualreise auf dem Pennine Way South, Central und North mit jeweils 7-9 Tagen. Ich entschied mich für den Nordteil des Weges, also die letzten Etappen durch den Northumberland National Park.
Meine Reise startete in Greenhead und führte mich in 5 Etappen auf insgesamt 115 Kilometern nach Norden bis Kirk Yetholm. Dabei musste ich tatsächlich knapp 4000 Höhenmeter erklimmen.
Die Anreise und Abreise kann sowohl über Manchester, Newcastle Upon Tyne oder Edinburgh erfolgen. Da es von dort aus dann zunächst mit dem Zug (Calisle) und dann noch mit dem lokalen Bus weitergeht, empfehle ich grundsätzlich zur Sicherheit eine zusätzliche Übernachtung.
Der Pennine Way – North Section
Bereits der erste Tag begrüßt mich mit saftig grünen Wiesen und weiten Landschaften. Schon bald geht es auf und ab und es beginnt einer der eindrucksvollsten Abschnitte des Pennine Way: Wir wandern entlang der Überreste des Hadrianwall, der steinernen Grenzbefestigung, die einst vom Römischen Reich erbaut wurde, um England vom wilden Norden zu trennen. Wir wandern also nicht mehr nur durch Natur, sondern auch durch Geschichte – über Hügelkuppen hinweg, auf den Mauerresten des legendären Hadrianswall der immer noch gut zu erkennen ist.

Es geht stetig auf und ab, über Treppen, durch Tore, entlang alter Ruinen, mit atemberaubenden Ausblicken in die hügelige Landschaft Northumberlands. Der erste Tag endet in Once Brewed, einer kleinen Siedlung und im Pub der lokalen Brauerei Twice Brewed. (Also Twice Brewed in Once Brewed)
Am zweiten Tag führt mich der Weg dann langsam in die Abgeschiedenheit des Northumberland National Parks. Die ersten Kilometer führen zunächst wieder entlang des Hadrianswall, bis wir diesen dann verlassen und in die stille, weit offene Welt des Nationalparks eintauchen.
Sanfte, aber endlose Hügel, torfige Moore und der Wind weht ungehindert über die weiten Hügel. Wegweiser gibt es kaum, und Begegnungen mit anderen Wanderern sind selten – genau das macht den Reiz aus. Zwischendurch führt der Weg dann plötzlich durch einen dichten Nadelwald, nur um sich danach wieder mit Heidelandschaft und Moorgras zu öffnen.
Und genau das bekommen wir auch an Tag 3, wenn wir von Bellingham nach Byrness wandern. Wir durchwandern stellenweise freundliche Wälder und Wiesen, passieren kleine Höfe, bis wir uns plötzlich wieder in der rauen Wildnis auf langgestreckten Höhenzügen wiederfinden und über sumpfige Moore wandern.
Und das macht den Weg eben so besonders: Wie sind tatsächlich in der Wildnis. Es gibt kaum Orte zum Rasten, keine Cafés oder Dörfer zum Einkehren – es gibt nur uns und die offene Landschaft, das Wetter und das eigene Tempo. Und da Wetter ist ebenfalls unberechenbar. Wandern wir in der einen Minute noch bei eitlem Sonnenschein und angenehmer Brise, so kann sich das Wetter in kurzer Zeit komplett drehen und wir kämpfen uns im dichten Nebel durch Regen und gegen Windböen. Dann erleben wir Englands raue, ursprüngliche Seite.

Auch die Wegbeschaffenheit kann anspruchsvoll werden. Die Wege sind meist sehr matschig und sumpfig. Bei Regen verwandelt sich der Weg in eine Herausforderung für Schuhwerk und Nerven. Wirklich trocken wird vermutlich niemand den Pennine Way überstehen.
Und der letzte Abschnitt des Pennine Way ist nicht nur lang – er ist legendär. Rund 43 Kilometer durch die einsame, karge Hügellandschaft der Cheviot Hills trennen Byrness vom Ziel in Kirk Yetholm. Viele nehmen diesen Abschnitt in einem Anlauf in Angriff, für mich ist er in zwei Etappen aufgeteilt. Ich steige nach dem Gipfel Windy Gyle zunächst wieder ab und habe einen Transport meiner Unterkunft, der mich abholt um am letzten Tag wieder zum Ausgangspunkt befördert. So teilt sich die letzte Etappe in 2 Tage mit jeweils ca. 25 Kilometern auf – was auch anstrengend genug ist.
Die Reise beginnt direkt mit dem Aufstieg hinter Byrness, der steil und kompromisslos ist. Schon nach wenigen Kilometern finde ich mich mitten in den Hügeln, die wie endlose Wellen in alle Richtungen rollen. Keine Straßen, keine Dörfer – nur Moor, Wind und Horizont. Die Route folgt größtenteils dem Grenzverlauf zwischen England und Schottland und wir sind dem Wind und dem Wetter komplett ausgesetzt. Wer Glück (also gutes Wetter und gute Sicht) hat, kann einen Abstecher auf den „Gipfel“ The Cheviot, höchsten Punkt des Weges, machen und wird mit einer grandiosen Aussicht belohnt – so wurde mir zumindest erzählt. Ich selbst hatte an diesem Tag leider nur Regen und Nebel mit knapp 200 Meter Sicht.
Die letzten Kilometer führen schließlich über grüne Wiesen hinab ins Tal, nach Kirk Yetholm. Und am Ende erreichen wir das legendäre Border Hotel, das offizielle Ende des Pennine Way, und beglückwünschen uns bei einem kalten Pint Bier.
Das Bier im Border Hotel ist obligatorisch. Der berühmte britische Schriftsteller Alfred Wainwright, schrieb in seinem Buch über den Pennine Way, dass er jedem, der diesen langen, harten Weg zu Ende bringt, ein Freibier spendieren würde. Das Border Hotel in Kirk Yetholm nahm ihn beim Wort – und schenkt seither jedem, der den gesamten Weg gelaufen ist und sich im „Pennine Way Book“ des Pubs einträgt, ein Pint auf’s Haus aus. Bis zu seinem Tod im Jahr 1991 hatte dies Wainwright schätzungsweise bis zu 15.000 Pfund gekostet. Aktuell wird das Bier von der Hadrian Border Brewery gesponsert. Wer den gesamten Weg gegangen ist, bekommt zudem eine Urkunde im Border Hotel.




Fazit
Der Pennine Way ist eine Erfahrung. Er ist keine Goodfeel-Tour, sondern eine Reise und eine Herausforderung durch klare, oft dramatische Landschaften. Wer die Weite und das Gefühl von Abgeschiedenheit fernab des Massentourismus in Kombination mit durchaus kräftezehrenden Tagesetappen sucht ist hier genau richtig. Die Belohnung ist das Wissen den Weg bezwungen zu haben und die persönliche Erfahrung auf dem eigenen Weg.
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